"Die verschwundene Prinzessin" ist eines jener seltsamen, herrlich fantastischen, einfühlsamen wie spannenden Märchen, welche die geheimnisvolle Kraft in sich tragen, das Leben eines Lesers zum Guten zu verändern:
Eine Prinzessin, geboren in eine Welt voller Achtlosigkeit, Lieblosigkeit und Unwissenheit, verkommt durch ihre Mitmenschen schon bald zu einem maßlosen, schrecklich bösartigen und arroganten Wesen, das derart zum Schrecken seiner Eltern, Haustiere und des gesamten Hofstaates wird. Als die Prinzessesin Rosamond auf unerklärliche Weise urplötzlich verschwindet, sind alle erleichtert, da sie sich derart von dem Spiegel ihrer eigenen Boshaftigkeiten und Unzulänglichkeiten befreit fühlen. Doch für die Prinzessin beginnt nun der mitunter schmerzliche Weg des Lernens, Erkennens und der Prüfungen, allzeit initiiert und liebevoll begleitet durch die beste aller Feen.
Tragischerweise hält die Prinzessin diese gute Fee jedoch für eine Menschenfresserin. Nichts desto trotz beginnt Rosamond durch deren Hilfe Schritt für Schritt aus ihrem bösen Traum des Schatten-Egos zu erwachen. Was zuvor weder süße Worte, Macht noch Drohungen vermochten, gelingt der Fee durch ihre Liebe, welche der Prinzessin das nötige Vertrauen schenkt, um den inneren Weg zu ihrem wahren, unschuldigen und liebenswerten Ich zu finden ...
MacDonalds Märchen sind wundersame Allegorien unseres Lebens und derart für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geschrieben, eingedenk der Worte Jesu "Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kindlein, der wird nicht hineinkommen." MacDonald war aus tiefstem Herzen von der Existenz des Guten im Menschen überzeugt, das für ihn keine trügerische Hoffnung und auch kein starres moralisches Dogma darstellte. Im Gegenteil bewies sich für ihn das Gute aus sich heraus, da eine Entscheidung für selbiges das eigene Leben augenblicks zum Besseren zu ändern vermag.
Aus dieser tiefverwurzelten Überzeugung heraus bilden MacDonalds Märchen auch keine Fluchtversuche aus einer entzauberten, den Materialismus anbetenden Welt, sondern sensibilisieren im Gegenteil zur Wahrnehmung Gottes und seiner Liebe in allen Geschehnissen und Dingen. Die geheimnisvollen Stimmungskammern, die Rosamond im Haus der Fee durchlaufen muss, sind nichts anderes als ein wunderbares Gleichnis, wie wir tagtäglich versucht werden und uns immer aufs Neue bewähren und entscheiden müssen. Nichts, aber auch gar nichts in unserem Leben ist ohne Sinn und dem Zufall überlassen. Und die Erlösung aus unserer Selbstvertreibung aus dem Paradies ist jederzeit möglich ...