Gerard Mortier pflegte zu sagen, im 20. Jahrhundert habe es mehr Meisterwerke gegeben als im 19. Jahrhundert. Recht hatte er! Die gute alte europäische Oper hat sich im Lauf des 20. Jahrhunderts in so viele Richtungen entwickelt und in so vielen Teilen der Erde Wurzeln geschlagen, dass wir staunend vor einem unglaublichen Reichtum stehen. Der Prunk des Jugendstils, die Wut des Expressionismus, die Seelenkunst der Psychoanalyse, die lockenden Farben der Ferne, all das findet sich auch im Klang der Oper wieder. Genauso aber auch das soziale Elend, die Heuchelei, die Entfremdung, die Kriege - und Auschwitz. Die Oper kann unterhalten und amüsieren, den Geist beflügeln, die Seele aufwühlen. Aber sie verwandelt auch das Leid in Schönheit. Indem sie die Menschen erschüttert, kann sie sie auch befreien. Manche Opern des 20. Jahrhunderts sind eine Zumutung. Aber was für eine! Sie führen uns in neue, unbekannte ästhetische Welten.
Als Operndirektor, Journalist und Theoretiker hat Bernd Feuchtner eine Fülle von Opern des 20. Jahrhunderts kennengelernt und präsentiert. Die in diesem Buch vorgestellten Meisterwerke lassen den Leser die Zeit zwischen 1901 und 2000 noch einmal neu erleben.