Unter den Äbten Friedrich von Zollern und Friedrich von Wartenberg entstanden die beiden ältesten im Original erhaltenen Lehenbücher der Abtei Reichenau. Sie überliefern über 1800 Belehnungen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts - zumeist auf der Klosterinsel selbst, am Untersee, im Thurgau und im Hegau, doch auch mit erheblichem Streubesitz entlang Donau, Neckar und Rhein. So wird dokumentiert, welche Personengruppen die Abtei durch die Vergabe von Lehen an sich band: niederadelige Vasallen, Bürger zahlreicher Städte zwischen Basel und Ulm sowie die Reichenauer Gotteshausleute in den Dörfern rund um den Untersee. Gegenstand der Belehnung waren meist landwirtschaftliche Güter, vom Krautgarten bis zum Kelhof, Zehnte oder Herrschaftsrechte, vereinzelt auch Burgen. Deutlich erkennbar ist das Bemühen der Äbte, die Niedergerichte und Vogteien im Nahbereich des Klosters frei von fremdem Zugriff zu halten. Fernab der Abtei stiftete das Lehen dagegen oft die letzte Verbindung zwischen dem Kloster und dem verliehenen Herrschaftsrecht. Somit zeichnen sich die Spielräume der späten Reichenauer Äbte als regionaler Akteure ab.